Zusammenfassung Schwerpunktseminar Lieferketten – Platin

Bericht über das Seminar am 17. November 2022, Gewerkschaft GPA (Wien)
„Doch kein reines Gewissen? Lieferketten im Visier. Wie Großkonzerne Mensch und Natur ausbeuten am Fallbeispiel Platin.” 

Am 17. November 2022 fand in den Räumlichkeiten der Gewerkschat GPA in Wien das letzte Schwerpunkseminar des Jahres statt. Zunächst übernahm Manuel Stolz von der GPA das Wort und begrüßte die Anwesenden. Er wies auf die Rolle der Gewerkschaften und deren Vernetzung weltweit hin. Für ihn haben Gewerkschaften eine generelle Verantwortung, wenn es um die Verbesserung von Arbeitsverhältnissen geht – auch über die eigenen Ländergrenzen hinweg.


Das Marikana Massaker und das Paradoxon rund um “corporate social responsibility” 
Der erste inhaltliche Input kam von Jakob Krameritsch, Historiker an der Akademie der bildenden Künste Wien. Anhand eines konkreten Beispiels, des Abbaus von Platin im südafrikanischen Marikana, verdeutlichte er die prekären und menschenunwürdigen Bedingungen des Rohstoffabbaus vor Ort. Ausgangspunkt seiner Erläuterungen war das Massaker, welches sich am 12. August 2012 in Marikana ereignete und 34 Minenarbeiter:innen das Leben kostete. Diese demonstrierten für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne, ihr Arbeitgeber Lonmin rief die Polizei, welche folglich mit scharfer Munition auf die Demonstrierenden schoss. Lange Zeit wurde über die Medien laut Krameritsch ein Bild der polizeilichen Selbstverteidigung gezeichnet. Es liegt nahe, dass die Medien dafür gezielt eingesetzt wurden, um die Schuldfrage Lonmins sowie der Polizei zu verdrängen. Erst während des Untersuchungsausschusses sei die Selbstverteidigungsthese immer weiter zerbröckelt. Einen wichtigen Punkt in der Analyse des Massakers sieht Krameritsch in der engen Kooperation zwischen der Politik, der Polizei und der Minenbetreiber:innen. Ziel der Politik sei damals primär die Unterbindung der Streiks und das Zeigen eigener Stärke gewesen.  

Qeulle: basflonmin.com

Ausgehend von diesem konkreten Beispiel und der Veranschaulichung der prekären Lebensbedingungen der Minenarbeiter:innen in Südafrika, stellte Krameritsch im zweiten Teil seines Vortrags einen Link zum deutschen Traditionsunternehmen BASF her, dem weltweit größten Produzenten von Katalysatoren. BASF ist einer der bedeutendsten Abnehmer des Rohstoffs Platin und einer der Hauptkunden des in Marikana geschürften Platins. Im Kern regt Krameritsch dazu an, zu hinterfragen, wie die Verhältnisse der Minenarbeiter:innen in Südafrika und dem Bild des vermeintlichen Vorzeige-Konzerns, welches BASF nach außen vertritt, zusammenpassen. Paradoxerweise rühmt sich BASF mit ihren hohen Standards rund um “corporate social responsibility”, während in einer ihrer Hauptlieferkette, jene Menschen, die dafür sorgen, dass BASF-Spitzenproduzent von Autokatalysatoren bleibt, ohne vernünftige Infrastruktur von Wasser, Strom und Kanalisation leben.  


Das europäische Lieferkettengesetz
 
Im zweiten Teil der Veranstaltung ging Sarah Bruckner von der Arbeiterkammer Wien auf die Rolle von Lieferkettengesetzen ein. Dabei stellte sie verschiedene Initiativen für ein Lieferkettengesetz vor. Hauptfokus ihres Beitrages war das europäische Lieferkettengesetz, das zum Zeitpunkt des Seminars bei der EU-Kommission als Vorschlag vorlag. Zunächst erklärte Bruckner für welche Unternehmen das Lieferkettengesetz gelten werde und welche Pflichten hinsichtlich der eigenen Tätigkeiten, der Kontrolle der Tochterunternehmen und der Kontrolle der Lieferkette, also der etablierten Geschäftsbeziehungen, einhergingen. Dabei ging sie besonders auf die Sorgfaltspflicht der Unternehmen gegenüber der EInhaltung von Menschenrechten und die Verantwortung über den Umweltschutz ein. Anschließend skizzierte Bruckner die nächsten Schritte, die auf nationaler und internationaler Ebene vorangetrieben werden müssten, damit bis Ende 2023 mit einer fertigen Richtlinie zu rechnen ist.  


Die Macht der Medien und Konzerne 
Ein abschließendes Highlight des Schwerpunktseminars war der Online-Dialog mit Niren Tolsi, einem Südafrikanischen Journalisten, der live zum Seminar zugeschaltet wurde.  Tolsi setzt sich in seiner Tätigkeit unter anderem mit Bürger:inneninitiativen, Protestbewegungen und sozialer Gerechtigkeit auseinander. Außerdem arbeitete er zusammen mit dem Photographen Paul Botes an einem Projekt, welches sich mit den Folgen des Marikana Massakers auseinandersetzte. Für ihn endet das Massaker nicht mit der Ermordung streikender Minenarbeiter:innen, sondern setzt sich fort in dem, was mit den Hinterbliebenen in den Jahren danach passiert ist. So weist er auf die einseitige und manipulierte Berichterstattung von Seiten der Medien hin und beklagt die fehlenden Entschädigungszahlungen. Für die Zukunft sind auch für ihn stärkere Lieferkettengesetze sowie die Entkopplung von Staat und Wirtschaft entscheidend. In seinem Abschlussplädoyer weist er nochmals darauf hin, dass das, was damals geschehen ist, auf einen eurozentrischen Doppelstandard zurückzuführen sei. Damit meint er, dass man im globalen Norden im Namen der “grünen Energie” für die Reduktion von Abgasen, den Absatz neuer Autos sowie den technologischen Fortschritt vorantreibt, während man beim Anblick der katastrophalen Arbeitsbedingungen im globalen Süden, welche damit zusammenhängen beide Augen verschließt. 

(c) Helena Hornung

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