12. Mai 2002
Von UNITA kontrollierte Landesteile bieten Bild des Grauens
Zerschossene Hausfassaden, ausgebrannte Autowracks, bombardierte Gebäude, zerfetzte Vorgarten- Bäume. Kuito im Hinterland des südwestafrikanischen Staates Angola ist eine einzige Ruinenstadt. Neun Monate lang lieferten sich hier einst Rebellen und Regierungssoldaten heftige Kämpfe. Danach stand in der zuvor blühenden Provinzhauptstadt kaum noch ein Stein auf dem anderen. 85 Prozent der Bausubstanz sind zerstört, von der Infrastruktur existiert kaum noch etwas. Autos haben Seltenheitswert.
Fast alles, was in Kuito eintrifft, muss per Luftfracht kommen. Die Bevölkerung befindet sich angesichts verminter Zufahrtstraßen in einer ähnlichen Lage wie einst das von den Versorgungssträngen abgeschnittene Westberlin. Kuito mit seinen 160.000 Flüchtlingen vor den Toren der Stadt ist eine einzige humanitäre Katastrophe. Dennoch sprießt wieder Leben zwischen den Ruinen. Genährt durch das jüngste Waffenstillstands-Abkommen keimt erstmals nach 27 Jahren Krieg wieder Hoffnung auf Frieden - und darauf, dass dieser wacklige Frieden diesmal wirklich einen Neuanfang bringt.
Kuito ist ein Ort, dem es trotz aller widrigen Umstände noch relativ gut geht. Die Stadt, die zur Drehscheibe der internationalen Hilfe für Zehntausende von Kriegsflüchtlingen geworden ist, war auch in den vergangenen Jahren immerhin für Helfer zugänglich. Voller Grauen schauen dagegen internationale Hilfsorganisationen nun auf den Teil des Landes, der bisher von den UNITA-Rebellen kontrolliert wurde und ihnen damit verschlossen war.
In der Nordprovinz Malanje erhielten Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) gerade Zugang zu zwei Gebieten, in denen bisher rund 30 Prozent der UNITA-Rebellen mit ihren Familien aus den Wäldern kamen. Die MSF-Ärzte registrierten eine Sterblichkeitsrate, die weit über dem Schwellenwert liegt, der eine akute Krise offenbart.
"Es sieht so aus, als wären die Schwachen bereits tot und als würden die Starken langsam schwach. Ich finde keine Worte mehr für das Leid dieser Menschen", erklärte MSF-Projektkoordinatorin Els Adams ihrer Organisation. Krankheiten und schwere Unterernährung haben auch den Prozess der Entmobilisierung beeinträchtigt. Anfang Mai war erst die Hälfte der auf 50.000 Mann geschätzten Rebellentruppe in einem der landesweit 33 Entmobilisierungslager eingetroffen.
Ursprünglich hatten sich Regierung und UNITA auf 27 derartige Lager geeinigt. Sechs weitere wurden eingerichtet, als die UNITA bekannt gab, dass 300.000 Familienmitglieder ihre Kämpfer begleiten würden. Die meisten von ihnen waren von der UNITA zwangsrekrutiert worden und lebten im Zustand permanenter Angst. Die Regierung will nun Lebensmittel, Medikamente, Saatgut und Ausrüstung in die Lager bringen.
Der seit 1975 dauernde Krieg galt weltweit als einer der längsten bewaffneten Konflikte. Bei einem dauerhaften Frieden sieht sich die Regierung des mit Rohstoffen gesegneten Landes angesichts einer völlig zerstörten Infrastruktur sowie der Erblast von schätzungsweise zwölf Millionen Minen im Erdreich enormen Problemen gegenüber.
Der Großteil der Angolaner zählt zu den Ärmsten der Welt. Schulunterricht war für die meisten ein Fremdwort im täglichen Überlebenskampf. Erst der Tod von Jonas Savimbi hatte den Waffenstillstand ermöglicht. (dpa)
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