Leseprobe INDABA 30/01
Vor Anti-Rassismus-Konferenz in Durban: Österreich als Vermittler?
Für ein stärkeres
Engagement Österreichs im Streit um europäische Kompensation für
Sklaverei und Kolonialismus spricht sich der moçambikanische
Außenminister Leonardo Santos Simão im Interview mit Walter Sauer
und Elfriede Pekny aus.
Herr Minister, was war der Zweck Ihres
Besuchs in Wien? Entsprechen die Ergebnisse Ihren Erwartungen?
Der
Zweck dieses Besuchs bestand in der Verstärkung unserer Beziehungen zu
Österreich, die sich bisher auf drei Ebenen entwickeln. Die erste Ebene
ist die finanzielle Unterstützung seitens der österreichischen
Regierung für wichtige Projekte der Entwicklungszusammenarbeit in
Bereichen wie Stärkung der Demokratie, Dezentralisierung, Stellung der
Frauen sowie Landwirtschaft in Verbindung mit Kleingewerbe. Darüber hinaus
wollen wir zweitens das Engagement der österreichischen Wirtschaft in
Moçambique verstärken. Die Zahl der involvierten und interessierten
österreichischen Firmen wächst, insbesondere für Investoren gibt
es gute Möglichkeiten in Moçambique, und wir möchten diese
Firmen ermutigen. Auf der dritten Ebene geht es um die Rolle Österreichs
für die SADC: Österreich unterstützt Transport und
Kommunikation, also einen jener Sektoren, die für unsere regionale
Integration am wichtigsten sind. Meine Begegnungen mit der Regierung, aber auch
mit der Wirtschaftskammer und den Repräsentanten des Parlaments waren sehr
positiv und werden sicherlich dazu beitragen, unsere Zusammenarbeit in Zukunft
noch zu verstärken. Wir sind auch über die Entwicklung der
Europäischen Union und die bevorstehende Erweiterung der EU informiert
worden, und ich würde mir wünschen, daß sich durch unsere gute
bilaterale Zusammenarbeit auch Österreichs Engagement innerhalb der EU
für Afrika allgemein und für die SADC im besonderen verstärkt.
Last, but not least möchte ich ausdrücklich die Tätigkeit der
österreichischen NGOs hervorheben. Sie leisten eine sehr gute Arbeit, sie
arbeiten auf einem professionellen und überdurchschnittlich hohen
Standard, was nicht immer der Fall ist. Ich bin also sehr ermutigt durch die
Resultate dieses Besuchs. Wir haben auch eine Wirtschaftsmission vereinbart, um
österreichische Privatfirmen mit Partnern und der Regierung in
Moçambique in Kontakt zu bringen.
Sie haben die Erweiterung
der EU erwähnt. Moçambique stand früher ja in einem speziellen
Verhältnis zu den Staaten des osteuropäischen Wirtschaftsraums. Wie
sehen Sie die Entwicklung dort?
In der Vergangenheit hatten wir
sehr gute Beziehungen, und die Länder Osteuropas spielten eine wichtige
Rolle bei der Entwicklung von Moçambique. Dann unterlagen sie einem
strukturellen Wandel, ihre Wirtschaftssysteme, ihre politischen Systeme
veränderten sich, und unsere Beziehungen kamen praktisch zu einem
Stillstand. Aber wenn diese Länder der EU beitreten, werden diese
Beziehungen wieder aufleben. Und es gibt noch eine Dimension: Ihre Aufnahme in
die Europäische Union wird ihnen helfen, sich zu festigen. Einige dieser
Länder sind politisch sehr instabil, aber im Verbund mit der EU wird es zu
Verbesserungen kommen. Fragen der internationalen Sicherheit sind für
Moçambique, wie Sie ja wissen, immer von besonderem
Interesse.
Apropos Sicherheit: Wie gehen die Programme zur Entminung
von Moçambique voran? Hatten Sie Erfolg dabei, lokale
Räumungskapazitäten zu schaffen, wie das die moçambikanischen
Vertreter bei der von SADOCC organisierten NGO/Parlamentarierkonferenz im Jahr
1998 ankündigten?
Landminen sind immer noch ein Problem, und
das wird auch lange noch so bleiben. Zu Beginn versuchten wir uns in
Schätzungen, wieviel Landminen es gäbe, aber das erwies sich als sehr
schwierig. Dann versuchten wir mit Hilfe von Kanada, die verminten Gebiete zu
identifizieren und kartographisch zu erfassen. Das half uns, ein genaueres Bild
zu bekommen und Prioritäten für die Entminung zu entwickeln. Wir
wollen die Minen nicht heute und nicht morgen, wir wollen sie gestern
geräumt sehen. Und jeder der uns hilft, die Minen loszuwerden, ist
willkommen. Landminen sind nicht nur eine physische Gefährdung der
Bevölkerung, sondern sie stellen auch ein schweres Hindernis für die
Entwicklung dar. Es kommt also nicht darauf an, wer die Räumung
durchführt, ob es Firmen aus Europa, USA, Südafrika oder Zimbabwe
sind. Wichtig ist, daß es eine Politik gibt, um sicherzustellen,
daß zusätzlich zu den ausländischen Firmen und NGOs auch
Kapazitäten im Inland gebildet werden. Es gibt heute schon eine Anzahl von
moçambikanischen Firmen, die Entminungsaktionen zufriedenstellend und
internationalen Standards gemäß durchführen können.
Entscheidend ist, daß es eine Kombination internationaler und nationaler
Anstrengungen gibt, um die Minen zu beseitigen, und alle, die hier mithelfen,
sind willkommen.
International und hier in Österreich hat es
zahlreiche Aktivitäten gegeben, um für Moçambique einen
Schuldenerlaß durchzusetzen. Wie verwendet Moçambique die dadurch
freigewordenen Gelder?
Sehen Sie, wenn man über Afrika
spricht, so verbindet man Afrika üblicherweise mit Konflikten, und diese
Konflikte wiederum hängen mit Armut zusammen, also mit dem fehlenden
Zugang der Menschen zu grundlegender Versorgung mit Gesundheit, Bildung,
sauberem Trinkwasser etc. All das muß finanziert werden. Eine
Möglichkeit dafür ist, jene Mittel zu verwenden, die durch die
geringeren Rückzahlungen von Auslandsschulden frei geworden sind. Es ist
aus unserer Sicht also unerläßlich, sich weiterhin für
Schuldenerlaß einzusetzen. Wir wollen einen vollkommenen
Schuldenerlaß mit der Absicht, die dadurch frei werdenden Finanzmittel
zur Finanzierung unseres gemeinsamen Kampfes gegen soziales Elend zu verwenden.
Heute gibt es keinen Grund für absolute Armut in Afrika. Es gibt
genügend Ressourcen, genügend fruchtbare Erde, Wasser, Sonne, es gibt
eine Bevölkerung, die bereit ist, hart zu arbeiten und die auch jetzt
bereits hart arbeitet. Eine Form, uns zu helfen, ist die Reduktion der
Schulden. Und daher sollten wir den Schuldenerlaß weiter vorantreiben.
Eines der Probleme, mit denen Moçambique aber immer wieder
konfrontiert wurde, sind die Konditionalitäten, das heißt die
Bedingungen, an die Schuldennachlässe oder die Vergabe neuer Kredite
gebunden werden. Ergibt sich da nicht eine neuerliche Abhängigkeit?
Ich glaube, da müssen wir realistisch sein. Wenn man jemandem Geld
gibt, so erwartet man sich davon eben etwas. Aber dieser Kompromiß sollte
auf der Basis der lokalen Bedürfnisse erfolgen, sollte in Einklang stehen
mit der Politik der Regierung und nicht von außen aufoktroyiert werden.
Es ist wichtig, daß solche Vereinbarungen im Einklang mit der speziellen
Situation jedes Landes geschlossen werden. Wir verstehen ja, daß
irgendwer das zahlen muß, und die Steuerzahler in Ihren Ländern, die
uns durch den Schuldenerlaß helfen wollen, sollen die Gewißheit
haben, daß die Ziele dieser Aktion erreicht werden. Aber genauso wichtig
ist es, die Rahmenbedingungen zu analysieren, ob sie realistisch sind oder
nicht, ob sie erreicht werden können oder nicht.
Moçambique ist aber immer wieder mit unerfüllbaren
Bedingungen konfrontiert worden!
Das stimmt, manchmal sehen wir uns
mit unrealistischen Bedingungen konfrontiert, aber noch öfter kommt es
vor, daß wir unvorhergesehenen Umständen gegenüberstehen, z. B.
mit den Flutkatastrophen. Gewisse Auflagen konnten nicht zeitgerecht
erfüllt werden. So ist es eben wichtig, daß es eine gewisse
Flexibilität gibt für den Fall, daß Verpflichtungen wegen
unvorhergesehener Ereignisse nicht zeitgerecht erfüllt werden können.
Ist das ein Aufruf an die internationale Gebergemeinschaft zu
größerer Flexibilität gegenüber
Moçambique?
Richtig, man müßte mehr die
Umstände berücksichtigen, die zu bestimmten Verzögerungen bei
der Erfüllung von Auflagen führen.
Besteht ein Problem
dabei nicht auch darin, daß heute kein effizienter Nord/Süd-Dialog
über globale makroökonomische Rahmenbedingungen mehr existiert, etwa
über eine neue internationale Wirtschaftsordnung?
Es gibt ja
einen Nord/Süd-Dialog auf den verschiedensten Ebenen. Wir haben z. B. das
EU-SADC-Forum, letztes Jahr hatten wir den Europäisch-Afrikanischen
Summit, und vor kurzem fand die Konferenz über die ärmsten
Länder in Brüssel statt. Das sind alles Fora für den
Nord/Süd-Dialog, und darüber hinaus gibt es noch viele andere. Ein
Dialog findet in der Tat statt. Worüber wir aber besorgt sind, ist der
Umstand, daß es zwar immer mehr Plattformen für Dialog gibt,
zugleich aber die Ressourcen immer geringer werden, um das, was wir bei diesen
Gesprächen vereinbart haben, in die Praxis umzusetzen. Es müßte
also eine Kombination von privaten Investitionen und staatlicher
Entwicklungshilfe parallel geben. Wenn das nicht der Fall ist, können wir
keines unserer Entwicklungsziele im Kampf gegen die Armut erreichen. Wir in
Afrika stehen vor gewaltigen Herausforderungen, unsere Infrastruktur aufzubauen
- Brücken, Straßen, Energieversorgung, Staudämme, eine neue
Bahnlinie zwischen Nord- und Südmoçambique -, ebenso aber auch das
öffentliche Gesundheitswesen, die Bildung, Wasserversorgung etc. All das
verlangt massive Investitionen, um nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.
Wir bekennen uns dazu. Wir können das aber nicht schaffen ohne
ausreichende Unterstützung.
Wie sind Ihre Erwartungen an die
Anti-Rassismus-Konferenz der Vereinten Nationen in Durban?
Es ist
natürlich schwierig, eine Vorausschau abzugeben. Aber es ist wichtig,
daß es ein Forum gibt, wo diese Dinge offen diskutiert werden
können. Auf vielen Seiten wird die Meinung vertreten, man sollte die
Vergangenheit ruhen lassen. Aber das löst ja die Probleme nicht. Selbst
innerhalb von einzelnen Ländern wird man immer wieder mit solchen Fragen
konfrontiert, und als Mitglieder des Globalen Dorfes bleibt es uns ebenso nicht
erspart, darüber offen zu diskutieren. Wenn nicht, schwelen die Probleme
unter dem Teppich weiter. Laßt uns also offen sein und praktische
Problemlösungen diskutieren.
In Ordnung, aber gerade der
praktische Vorschlag, nämlich die Forderung der afrikanischen Staaten nach
Kompensation für Sklaverei und Kolonialismus, ist
umstritten.
Wir haben ja nie jemanden eingeladen, uns zu
kolonisieren! Das war ja nicht unsere Idee! Also reden wir darüber.
Daß es Kolonialismus gegeben hat, ist nicht zu leugnen, ebenso nicht,
daß dieser Kolonialismus langfristig schädliche Konsequenzen in
unseren Ländern angerichtet hat. Reden wir also darüber, wie wir
heute damit umgehen sollen. Welche Lehren können wir daraus ziehen? Wie
können wir eine neue Art von Beziehung aufbauen zwischen den Ländern
des Nordens und des Südens? Denn der Kolonialismus war ein Projekt der
Länder des Nordens gegen die Länder des Südens. Was sind also
die Konsequenzen? Manchmal gibt es Leute, die sich dagegen wehren, und sagen,
nein, nein, das sind Sachen aus der Vergangenheit, darüber wollen wir
nicht reden. Aber für uns sowohl Regierungen als auch die Bevölkerung
ist das alles nicht vergangen. Wir haben die langfristigen Folgen davon zu
tragen, als Konsequenz des Kolonialismus. Laßt uns also
diesbezüglich offen sprechen. Österreich könnte übrigens
eine wichtige Rolle dabei spielen, denn diese Diskussion wird oft dominiert von
den früheren Kolonialmächten und den ehemaligen Kolonien. Das ist
nicht ausreichend. Verbreitern wir die Diskussion, nehmen wir jene Länder
mit herein, die selbst in Afrika keine koloniale Erfahrung haben. Diese
Länder sind vielleicht objektiver als andere. Österreich als eines
dieser Länder ohne koloniale Vergangenheit könnte eine konstruktive
Rolle spielen sowohl gegenüber den Afrikanern als auch gegenüber den
früheren Kolonialmächten, um uns allen zu helfen, einen realistischen
Ausweg zu finden.
Wir danken für das
Gespräch.
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