Leseprobe INDABA 27/00

Als EU-Wahlbeobachter in Zimbabwe

Etwa ein Dutzend Österreicher/innen waren im Rahmen der EU-Mission zur Beobachtung der Parlamentswahlen in Zimbabwe am 24. und 25. Juni 2000 eingesetzt. Johann Gattringer, seinerzeit erster heimischer EZA-Koordinator nach der Unabhängigkeit, faßt für INDABA seine Eindrücke zusammen.

Parallel zur Europäischen Union hatten auch das Commonwealth, die Organisation of African Unity, die Southern African Development Community, Südafrika, die AKP-Staaten sowie der Weltkirchenrat Vertreter/innen zur Beobachtung der Parlamentswahlen in Zimbabwe am 25. und 26. Juni 2000 entsendet. Verstärkt wurde das EU-Team durch Vertreter/innen aus Norwegen, Kenya und Nigeria (letztere freilich blieben außer Landes, da sie keine Einreisegenehmigung und Akkreditierung erhielten). Aus Österreich war etwa ein Dutzend Diplomaten, Entwicklungshelfer und Experten an der 160 Personen starken EU-Mission beteiligt, darunter sieben Mitarbeiter/innen des Österreichischen Entwicklungsdienstes, organisiert von ÖED-Koordinator Roland Angerer in Harare. Ulrike Lunacek, Grüne Parlamentsabgeordnete, war direkt vom Parlamentsklub entsandt worden, und neben Konstantin Wöbking vom Außenministerium und Peter Hazdra von der Landesverteidigungsakademie war ich als Leiter der Koordinierungsstelle für internationale Entwicklung und Mission und als ehemaliger ÖED-Koordinator in Zimbabwe der EU als (Kurzzeit-) Wahlbeobachter vorgeschlagen worden; daneben gab es auch Langzeitbeobachter, aus Österreich etwa den Innsbrucker Universitätsassistenten Manfred Aschaber.

Zwei Tage lang wurden die Beobachter/innen in Harare in die politischen, sozialen und Sicherheitsaspekte der Mission eingeführt. Praktische Tips und Ratschläge durch das EU-Wahlbeobachtungsbüro ergänzten die Vorbereitung. Hilfreich für die Österreicher/innen waren auch die Kontakte mit dem österreichischen Botschafter, Peter Leitenbauer, und mit dem Leiter der Außenhandelsstelle, Alf-Peter Lenz.

Zusammen mit neun weiteren Kolleg/inn/en aus Spanien, Holland, Deutschland, Italien, Schweden und Griechenland wurde ich schließlich in der Provinz Matabele North, einem Gebiet im Nordwesten Zimbabwes, eingesetzt. Zusammen mit Anna Damalatanga aus Griechenland, wurde ich - nach einem weiteren Einführungsnachmittag im Provinzhauptort Hwange, in der angenehmen Atmosphäre der Hwange Safari Lodge dem Wahlsprengel Nkayi zugeteilt. Zwischen Bulawayo (160km) und Gokwe (60km) gelegen, ist Nkayi durch trockene, sandige Anbauflächen und steppenartiges Busch- und Grasland charakterisiert. Der Bezirksort - ein erst nach der Unabhängigkeit 1980 entstandener “Growth Point”, vorwiegend durch eine Verwaltungsinfrastruktur charakterisiert - hat nur einige hundert Einwohner. Im Wahlsprengel, einem von insgesamt 120, waren etwa 51.000 Wahlberechtigte registriert, die höchste Anzahl im ganzen Land.

Unsere Aufgabe war es, stichprobenartig 42 Wahlstationen aufzusuchen und nach Möglichkeit die Wahlvorbereitung, den Wahlvorgang und die Auszählung der Stimmen in der Bezirkszentrale zu beobachten. Nach unserer jeweiligen Vorstellung bei der oder dem Wahlvorsitzenden versuchten wir, durch Beobachten und Befragen einen möglichst objektiven Eindruck über den aktuellen Wahlvorgang zu bekommen. Vom einzigen öffentlichen Telefon beim Postamt in Nkayi gaben wir zwei- bis dreimal täglich - je nachdem, wo wir uns gerade aufhielten - unsere codierten Fragebogendaten durch. Leider war es nicht möglich, die Zusammenfassung zu faxen, und die mitgegebenen Mobiltelefone waren wertlos, weil kein Netz vorhanden war.

Insgesamt besuchten wir 13 Wahlstationen, die vorwiegend in Schulen abseits der Hauptverbindungsstraßen eingerichtet waren. Mit einem für sandige Straßenverhältnisse ausgerüsteten Fahrzeug wäre unsere Stichproben-Effizienz zweifellos bedeutend höher gewesen. Aber mit dem normalerweise in Harare stationierten “Executive” Hyundai-Taxi konnte unser Fahrer, Mr. Mandaza, eben nur mit 30 bis 40km/h über die holprigen und staubtrockenen Straßen fahren. Mit Wehmut erinnerte ich mich an den seinerzeit von der MIVA gelieferten Peugeot 504, den ich Anfang der 80iger Jahre als ÖED-Koordinator benutzt hatte: eine verstärkte Bodenplatte und Stoßdämpfer hatten das Gefährt zumindest in der neunmonatigen Trockenzeit beinahe für alle Straßen in Zimbabwe fahrtüchtig gemacht. Und so manches Wahllokal wäre mit einem Mountain-Bike bequemer zu erreichen gewesen - 1994 hatte ich genau diese Region mit zwei ehemaligen Entwicklungshelfern per Fahrrad durchquert. Die logistische Planung - von der EU projektmäßig an die deutsche GTZ vergeben - wies in dieser Beobachtungsregion zweifellos Schwachstellen auf.

Problematisch war die für uns vorgesehene Unterkunft in der dem Council (also der Gemeinde) gehörenden einzigen Lodge in Nkayi: zum einen war kein Platz mehr für drei Personen (trotz Voranmeldung durch die Langzeitbeobachterin - politische Obstruktion durch die Behörden?), zum anderen war der Standard vor allem für meine griechische Kollegin kaum zumutbar. Zu guter Letzt konnte Anna zumindest für zwei Nächte in der katholischen Pfarre gegenüber unterkommen. Fr. Andrew, ein amerikanischer Mariannhill-Missionar, der mir noch von früher bekannt war, und der junge zimbabwesche Priester Fr. Emmanuel stellten ihr Gästezimmer zur Verfügung. Andrew Heyer, ein früherer Anti-Vietnam Protestveteran, war schon in den 70iger Jahren als Pfarrer ein Sympathisant der Befreiungsbewegung gewesen. Aus der Perspektive des Matabelelandes hatte er aber auch 1983 und 1984 die militärischen Operationen der Spezialeinheit Gukurahundi, der von den Nordkoreanern trainierten Elitetruppe, die im Regierungsauftrag auf “Dissidenten”-Jagd war und dabei brutale Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung verübte, erlebt.- Fr. Andrew und Fr. Emmanuel gaben uns noch wertvolle Hinweise über Lage und Entfernungen der einzelnen Wahllokale.

Die offiziellen Behörden - der Bezirkswahlvorsitzende und sein Team - waren grundsätzlich kooperativ, wenngleich wir die meisten Daten (z. B. Lage der Wahllokale und die Namen der Vorsitzenden) aus der Zeitung erfahren mußten. Die Zivilbevölkerung war freundlich, die Wahlvorsitzenden zumeist zurückhaltend. Bei einem nächtlichen Besuch zweier Bars in Nkayi, den ich gemeinsam mit dem Polizeikommandaten in Zivil (mit dem vermutlich selbstgewählten Namen Mr. McKenzie) unternahm, stellte ich fest, daß man der EU-Wahlbeobachtung durchaus positiv gegenüberstand - abgesehen von den normalen Höflichkeiten, die einem Europäer gegenüber ausgesprochen werden. Ich hatte den Eindruck, daß ZANU-PF in dieser zweisprachigen Region (Shona, Ndebele) keine Gewinnchancen hatte. Letztlich ging es den Menschen um existentielle Fragen: Wer sichert uns gute Preise für die Baumwollernte, für den Mais, für das Vieh... Und die wenigen Geschäftsleute (einschließlich einer Handvoll von Prostituierten) wollten einfach weiterhin unbehindert durch politische Störfaktoren ihren Geschäften nachgehen, wollten überleben, ob mit oder ohne HIV-positiv. Das Zusammenleben war kein offenes Thema, da fast alle zweisprachig waren.

Mrs. Mabhena, die Geschäftsführerin der Lodge, war sehr hilfreich darum bemüht, uns auch eine dritte Nacht - die lange Nacht der Stimmauszählung - in Nkayi zu ermöglichen. Dennoch schaute es lange Zeit so aus, als ob es keine Lösung gäbe. Anna wollte bereits nach Victoria Falls abreisen, ich konnte sie jedoch davon überzeugen, daß es hierzulande Wege und Lösungsmöglichkeiten gibt, die vorerst nicht unserem linearen europäischen Denken entsprechen. Lodge und Pfarre hatten keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr. Wir mußten uns entscheiden abzureisen, da es uns als EU-Beobachtern aus Sicherheitsgründen verboten war, nach Sonnenuntergang zu reisen. Letztlich freilich konnte Mrs. Mabhena ein Zimmer in der Lodge für Anna und für mich und Mr. Mandaza ein breites Bett im Wohnzimmer ihres Neffen, eines Angestellten des Councils, besorgen. Dieser bat uns, nicht mit dem EU-Wagen vorzufahren, da er dadurch in politische Schwierigkeiten kommen könnte. Wir schlichen uns also nächtens - nur begleitet vom südlichen Sternenhimmel - in die 3-Personen-Junggesellenburg von Mr. Mpofu, genau gegenüber der Community Hall, in der die Auszählung stattfand. Es war kein Problem für Mr.Mandaza, einen shona-sprechenden Stadtmenschen aus Harare, bei den Ndebele-Leuten unterzukommen. Mit Radio und einem TV-Gerät wurden laufend die Wahlergebnisse verfolgt - ZBC (Zimbabwe) und SABC (Südafrika). Mr. Mpofu - ebenso seine Kollegen - “outete” sich als begeisteter MDC-Anhänger. Eindrucksvoll schilderte er, wie er als Zwölfjähriger die Greueltaten der Gukurahundi mitansehen mußte - Brandschatzung, Vergewaltigungen, die Kreuzigung eines als Dissident verdächtigten Verwandten mit Plastiknägeln; seine Beobachtungen wurden auch in den Report der Justice and Peace Commission über die Ereignisse im Matabeleland aufgenommen. Diese Wahl sei ein Zeichen und der Beginn eines offenen Widerstandes, sagte er, eine Zeit der Abrechnung mit den Mächtigen...

Der ZANU-PF Kandidat, Mr. Moyo, logierte ebenfalls in der Council Lodge. Moyo ist gehbehindert und überhaupt anders als die üblichen Parteigänger der ZANU-PF. Mr. Moyo hatte zwei Jahre in Finnland gelebt und war auch schon einmal bei einem Kongreß in Österreich gewesen; er hatte im übrigen landesweit das Bibliothekswesen in Zimbabwe organisiert und aufgebaut. Mit einem für Behinderte adaptierten Spezialfahrzeug besuchte er seinen Wahlkreis, aber es gelang ihm und seiner Partei nicht, den MDC-Kandidaten - der auf Grund politischer Einschüchterung mehrmals seinen Wohnplatz wechseln mußte - zu besiegen. Die MDC hatte kein Parteilokal, dafür aber warb sie aktionistisch in der Nähe des Marktplatzes unter freiem Himmel, ihre wenigen Wahlplakate waren auf Bäumen befestigt.

Und die Wähler/innen: Nicht wenige mußten 10-20 Kilometer bis zu ihrem nächsten Wahllokal zu Fuß oder mit dem Eselskarren überwinden (ähnliche Entfernungen legen täglich auch Schulkinder zurück...) Dennoch war für viele der Weg zur Wahlurne beschwerlich. Und umso enttäuschender war es, als sie dort - womöglich nach stundenlangem Anstellen - erfuhren, daß ihre Dokumente nicht ausreichten, weil sie nicht in der Wählerliste registriert waren...

Die Auszählung der Stimmen in der Community Hall von Nkayi war langwierig - von Montag, 26.Juni 11 Uhr früh, bis Dienstag, 27.Juni, 6 Uhr früh, ohne Unterbrechung! Der Vorgang entsprach buchstabengetreu den Vorschriften der Wahlordnung. Der vorsitzende Bezirkswahlleiter begann mit einem Gebet, anschließend ermahnte er alle anwesenden 41 Wahlvorsitzenden, fair und vor allem korrekt die Stimmen zuzuteilen und auszuzählen. Einem speziellem Ritual gleich wurden die Siegel der einzelnen Wahlurnen - eines nach der anderen, unter den kritischen Blicken der jeweiligen Parteivertreter/innen - überprüft, geöffnet, die Stimmzettel gezählt und mit den Registrierbüchern verglichen. Bei Diskrepanzen wurde oft langmächtig nach der Fehlerquelle gesucht, bis endlich alle Parteien bzw. die Kandidaten einverstanden waren. Das konnte bis zu einer Stunde dauern. In einem weiteren Arbeitsgang wurden die Stimmen ausgezählt und den 4 anwesenden Kandidaten zugeordnet (es kandidierten auch zwei weitere kleinere Parteien).

Im Morgengrauen des zweiten Tages nach der Wahl - und nach telefonischer Bestätigung durch die Zentrale in Harare - verkündete Bezirkswahlleiter Trinus Chakadayi den übernächtigen, plötzlich aber hellwachen Stimmauszähler/inne/n, der MDC-Kandidat Abednico Bhebhe habe mit mehr als 15.000 gültig abgegebenen Stimmen über den ZANU-Kandidaten Obadiah Moyo gesiegt; dieser hatte knapp 5.000 Stimmen erreicht. Gratulation durch den Bezirkswahlleiter, Begeisterung und Freudenrufe bei den meisten Anwesenden - sogar die Polizisten strahlten und lachten mit...

Mitten im September 2000 fragen sich vielleicht manche: Was haben die Parlamentswahlen in Zimbabwe im Südlichen Afrika politisch verändert? Eines gleich vorweg: Die Menschen - vor allem die um und nach 1980 geborene junge Bevölkerung - wird sich nicht mehr länger von einer gut etablierten Funktionärsschicht gängeln lassen. Studierende, Arbeitslose und gewerkschaftlich organisierte Werktätige in den Städten, aber auch Farmarbeiter - und da vor allem Frauen - wollen politische Veränderung, vor allem aber Arbeit und Wohlstand und - eine Klärung der Landfrage, wenngleich nicht unter den von der Regierung Mugabe propagierten Vorzeichen. Alternative gibt es keine - es sei denn Anarchie. Das ZANU-PF-System und, damit verbunden, die Hoffnung auf einen One Party State haben sich überlebt.

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