Leseprobe INDABA 21/99
Fünf Jahre nach der Apartheid
Angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen in Südafrika kann Nelson Mandela auf eine ansehnliche Regierungsbilanz verweisen. Aber auch Warnsignale sind nicht zu übersehen. Walter Sauer stellte Erfolge und Mißerfolge der "Regierung der Nationalen Einheit" zusammen.
Dem Interesse der europäischen Medien weitgehend entschwunden, geht
in Südafrika eine entscheidende Periode ihrem Ende zu: Erstmals auf Basis
der neuen, demokratischen Verfassung werden im kommenden Juni Neuwahlen
zum Parlament abgehalten werden; Staatspräsident Nelson Mandela - schon
im Dezember 1997 vom Vorsitz des African National Congress (ANC), der
führenden Regierungspartei, zurückgetreten - hat seinen Rückzug aus der
Politik angekündigt.
Mit diesem reibungslosen Abschluß der ersten Legislaturperiode "nach der
Apartheid" und dem vorgesehenen Generationenwechsel an der Spitze der
Politik endet die Gründungszeit eines Neuen Südafrika. Hatte Mandela im
Mai 1994 seine Zukunftsvision eines neuen, von Rassismus und Gewalt befreiten
Südlichen Afrika mit den Worten "eine Regenbogennation, in Frieden mit
sich selbst und der Welt" beschrieben, so ist diese Vision angesichts
der katastrophalen sozialen Folgen von jahrhundertelangem Kolonialismus
und jahrzehntelanger Apartheidpolitik zwar noch nicht Wirklichkeit geworden,
jedoch einer Realisierung näher gekommen.
Ein kurzer Rückblick: Vom 26. bis zum 28. April 1994 waren die ersten
demokratischen Parlamentswahlen in der Geschichte Südafrikas abgehalten
worden; von 400 zu vergebenden Mandaten waren 252 auf den ANC (62,6%),
82 auf die bisher alleinregierende National Party (20,4%) und 43 auf die
Inkatha Freedom Party (10,5%) entfallen.
Den Bestimmungen der Interimsverfassung zufolge bildete Mandela eine Koalitionsregierung
dieser drei über der 10%-Hürde gelegenen Parteien. Zusammensetzung wie
Tätigkeit dieses Government of National Unity spiegelten freilich den
Kompromißcharakter der politischen Einigung von 1993 - eine Voraussetzung
für die relativ friedliche Ablöse der Apartheid - wider; wesentliche Ressorts
blieben zumindest vorerst dem Zugriff des ANC entzogen. Als Folge davon
bestand nicht nur in diesen Ministerien kaum Interesse an politischer
Veränderung, die regierungserfahrene National Party nutzte ihre starke
Präsenz vielmehr auch zur Verzögerung wichtiger Vorhaben in anderen Ressorts
und wurde darin von illoyalen Teilen des Beamtenapparats unterstützt.
Auch in den beiden nicht vom ANC kontrollierten Provinzen - Western Cape
(NP-Mehrheit) und KwaZulu/Natal (IFP-Mehrheit) - stießen und stoßen neue
politische Initiativen vielfach noch auf Widerstand.
Daß es dennoch binnen weniger Monate gelang, nicht nur großangelegte Reformvorhaben
auf die Beine zu stellen, sondern dafür auch einen stabilen gesamtstaatlichen
Rahmen zu schaffen, muß als eines der großen Verdienste der Regierung
der Nationalen Einheit - und von Mandelas Persönlichkeit selbst - betrachtet
werden. Horrorszenarien rechtsradikaler Putschversuche oder der Sezession
einzelner Provinzen, wie sie Pretorias Auslandspropaganda in den Jahren
zuvor nicht ohne Erfolg verbreitet hatte, erwiesen sich als Hirngespinst.
Schlagartig ging vielmehr die politische Gewalttätigkeit, mit deren Hilfe
Teile der NP, der Armee und der Polizei ("third force") den Verhandlungsprozeß
zu beeinträchtigen gehofft hatten, zurück. Ohne erkennbaren Widerstand
unterstellten sich Streitkräfte, Polizei und Geheimdienste dem Kommando
der neuen Regierung, auch die Eingliederung der Untergrundarmee des ANC
- Umkhonto we Sizwe - konnte relativ rasch bewerkstelligt werden.
Nach einem Jahrhundert Reservatspolitik erwies sich ferner die Integration
der früheren Homelands in neun neu geschaffene Provinzen als innenpolitisch
von höchster Wichtigkeit; neue Grenzen mußten gezogen, Hauptstädte etabliert
und Provinzverwaltungen installiert werden. Hinzu kam die Notwendigkeit,
die aus der Zeit der Apartheid stammende Territorialgliederung auch auf
der Ebene der - städtischen und ländlichen - Lokalverwaltungen zu beseitigen;
solche Verwaltungen bestanden zwar, jedoch zumeist noch auf Basis rassisch
getrennter Wohngebiete und wurden von der Bevölkerung vor allem in den
städtischen Townships boykottiert und abgelehnt. Durch die Neustrukturierung
der Gemeindeverwaltungen wurde das Tor nicht nur zur räumlichen Integration
der bislang getrennten Wohngebiete für Weiß, Indisch, Farbig und Schwarz,
sondern auch zum wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau auf kommunaler
Ebene geöffnet - ein Prozeß, der derzeit mit vielen Schwierigkeiten und
Ambivalenzen noch in Gang ist.
Nach Schaffung der neuen Regionalgliederung und einer sehr föderalistischen
Kompetenzabgrenzung wurde am 8. Mai 1996 von den beiden Häusern des Parlaments
die endgültige Version der neuen Verfassung angenommen. Parallel dazu
war unter der dynamischen Führung der Parlamentspräsidentin, Frene Ginwala,
ein lebendiger, für Afrika wohl einzigartiger Parlamentarismus entstanden:
starke politische Stellung des Parlaments und vor allem seiner Ausschüsse
gegenüber der Regierung, weitgehende Einbeziehung von NGOs und der Öffentlichkeit
in die Beratungen. Und neben einer Reihe weiterer Institutionen sollte
vor allem der 1995 ins Leben gerufene National Economic, Development and
Labour Council (NEDLAC) der sozialpartnerschaftlichen Integration unterschiedlicher
Interessensgruppen - Regierung, Unternehmerorganisationen, Gewerkschaften,
Jugend, Arbeitslose etc. - dienen. Bisher für unterschiedliche "Rassengruppen"
reservierte Schulen und Ausbildungsstätten wurden für den allgemeinen
Besuch geöffnet; ein neues Arbeitsrecht wurde geschaffen, und erstmals
in der Geschichte des Landes ist ein landesweites Sozialversicherungssystem
im Aufbau. Die erste Phase der Vergangenheitsbewältigung ging mit der
Veröffentlichung des Abschlußberichts der Truth and Reconciliation Commission
am 29. Oktober 1998 zu Ende - eine Übung in Bewußtseinsbildung, die vor
allem der weißen Bevölkerung neue Horizonte eröffnete. Last, but not least
wurden für ganz Südafrika neben Englisch und Afrikaans auch die zehn führenden
afrikanischen Sprachen als Amtssprachen anerkannt - ein finanziell aufwendiges
System, das jedoch in der Tat gegenseitiger Verständigung und Vertrauensbildung
dient.
Somit zählten die Schaffung jahrelang entbehrter politischer Stabilität
und die rasche Wiedererstellung der staatlichen Einheit zu den großen
Erfolgen von Mandelas Amtszeit. Sicher bleibt unübersehbar, daß eine der
neun Povinzen - KwaZulu/Natal - innenpolitisch nach wie vor labil ist
und dort zur Abschwächung der Auseinandersetzungen erhebliche materielle
und politische Zugeständnisse an die Zulu-Aristokratie in Kauf genommen
werden mußten. Dabei geht es im Wesentlichen (wie in anderen afrikanischen
Staaten auch) um das Verhältnis von ökonomischen und politischen Privilegien
der traditionellen Chiefs (organisiert im einflußreichen Congress of Traditional
Leaders of South Africa) zu moderner demokratischer Staatlichkeit, damit
jedoch auch um die Frage nach der politischen Hegemonie in den ländlichen
Gegenden Südafrikas.
In diesem Zusammenhang ist natürlich die Landreform von höchster Wichtigkeit.
Auf Basis der Übergangsverfassung hatte im November 1994 das Parlament
den Restitution of Land Rights Act verabschiedet. Gemeinden oder Individuen
(oder ihre Nachkommen), die ihre Landbesitzrechte aufgrund von Gesetzen
oder Maßnahmen der Apartheid (d.h. seit 1913) verloren haben, erhalten
dadurch das Recht, ihr Land - oder zumindest Entschädigung dafür - wiederzuerlangen.
Genaue Statistiken fehlen, doch sollen bis Mitte 1998 insgesamt etwa 3
Mio Hektar Land zugunsten von 70.000 Haushalten restituiert worden sein
(darunter auch die Wiederansiedelung von in den 1980er-Jahren spektakulär
vertriebenen Gemeinden wie etwa jener von Mogopa bei Potchefstroom).
Es ist einsichtig, daß die Landreform nur auf Basis einer tragfähigen
ländlichen Entwicklung erfolgreich bleiben kann. Die neuen Grundbesitzer
müssen auch in der Lage sein, ihr Land (sei es durch Ackerbau, Viehzucht
oder Tourismus) ökonomisch und ökologisch nachhaltig zu nutzen. Die Vereinigung
der Ministerien für Landreform und Landwirtschaft im Jahr 1996 trug diesem
Anliegen Rechnung. Aber auch dem Programm des Ministeriums für Wasser-
und Forstwirtschaft, sauberes Wasser in die Wohnumgebung der Menschen
in Stadt und Land zu leiten, kommt dabei eine wichtige Aufgabe zu (vgl.
S.10); dadurch werden nicht nur Bewässerung und intensivere Nutzung des
Bodens ermöglicht, sondern auch gesündere Ernährungs- und Hygienebedingungen
geschaffen, was nicht zuletzt die Lebenssituation der Frauen und Mädchen
auf dem Land, zu deren traditionellen Aufgaben das tägliche Wasserholen
zählt, wesentlich erleichtert.
Schon Monate vor der Amtsübernahme des ANC war es zu heftigen Diskussionen
über den wirtschaftspolitischen Kurs einer zukünftigen südafrikanischen
Regierung gekommen. Während in- wie ausländisches Big Business den ANC
vor Verstaatlichungsmaßnahmen oder Umverteilungsstrategien warnte, bestanden
andererseits starke Tendenzen innerhalb und im Umkreis des ANC, die auf
grundlegende sozioökonomische Veränderungen setzten. Dieser Denkschule
zufolge konnte nur eine Beseitigung der ökonomischen Wurzeln der Apartheid
den Übergang zu einer nicht-rassistischen Gesellschaft sichern und zugleich
mit der Bewältigung des katastrophalen sozialen Erbes von Kolonialismus
und Apartheid beginnen. In diesem Sinn wurden die Grundzüge eines Reconstruction
and Development Programme (RDP) erarbeitet, das schließlich - in entschärfter
Form - von der Regierung als offizielles Programm angenommen wurde.
In der Tat fand die neue Regierung eine katastrophale Situation vor -
nicht wegen einer "objektiv" bedingten Armut des Landes, sondern infolge
der jahrhundertelang betriebenen Umver-teilungspolitik zugunsten der weißen
Bevölkerungsminderheit. Schätzungen zufolge lebten 1994 sieben der über
fünfunddreißig Millionen schwarzer Südafrikaner/innen in Wellblechhütten
ohne zureichende Kanalisation und Wasserversorgung oder waren überhaupt
obdachlos, mehr als zwei Millionen Menschen (meist Wanderarbeiter/innen)
wohnten getrennt von ihren Familien in häufig bereits desolaten Heimen.
Die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen lag in der Gegend von 40 Prozent;
Bildungs-, Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen für sie waren nur in
unzureichendem Ausmaß vorhanden. Etwa die Hälfte der Haushalte verfügte
nicht über Elektrizität. Herausforderungen wie diese konnten - nach der
Auffassung der Linken im ANC - nicht durch eine bloße Verstärkung der
Sozialhilfe oder punktuelle Entwicklungsprojekte, sondern nur durch eine
alternative Wirtschaftspolitik bewältigt werden. Das RDP sah dazu nun
die möglichst rasche Wiederbelebung der Volkswirtschaft durch Anhebung
der Massenkaufkraft vor, welche kurzfristig durch ein öffentliches Arbeitsbeschaffungsprogramm,
langfristig durch aktive Beschäftigungspolitik und zudem durch eine Stimulierung
lokaler Wirtschaftskreisläufe durch Townshipsanierung und die Errichtung
von städtischen oder dörflichen Genossenschaften erfolgen sollte. Man
war sich allerdings dessen bewußt, daß die Finanzierung eines solchen
Programms aus dem Budget angesichts des hohen Defizits bzw. der öffentlichen
Verschuldung Südafrikas bei nationalen und internationalen Gläubigern
engen Grenzen unterworfen war; die Mittel dafür sollten also einerseits
durch verstärkte Besteuerung des vorhandenen Reichtums (nicht zuletzt
der Bergbaukonzerne) und andererseits durch die Beendigung des Zahlungsboykotts
kommunaler Abgaben in den von Schwarzen bewohnten Stadtteilen aufgebracht
werden (Masakhane-Kampagne).
Mit der Umsetzung des RDP wurde schwungvoll begonnen. Innerhalb der ersten
hundert Tage ihrer Amtszeit konnte die Regierung zwei populäre Sofortmaßnahmen
relativ flächendeckend verwirklichen: Kostenlose Gesundheitsversorgung
für Schwangere und Kinder bis zu sechs Jahren sowie einmal täglich kostenlose
Ausspeisung für schulpflichtige Kinder - zwei punktuelle, aber doch grundlegende
Maßnahmen der Armutsbekämpfung, deren gesundheits- und bildungspolitische
Auswirkungen über die Jahre hinweg nicht zu unterschätzen sein dürften.
An strukturellen Initiativen starteten das bereits erwähnte Wasserversorgungsprogramm
sowie ein ambitioniertes Wohnbauprogramm, koordiniert vom langjährigen
Generalsekretär der Kommunistischen Partei und nunmehrigen Housing Minister
Joe Slovo, das sich vor allem dem Wohnungsbau in Elendsvierteln widmete.
Am 20. Oktober 1994 wurde seine Umsetzung durch den aufsehenerregenden
Botshabelo Accord zwischen dem Ministerium und dem Bankensektor vertraglich
festgelegt. Schon in der zweiten Jahreshälfte 1994 zeigten sich jedoch
erste Probleme.
Zwar kam Südafrikas Wirtschaftswachstum - nach langer, auch durch die
Sanktionen bedingter - Rezession wieder in die schwarzen Zahlen (1994
und 1995 jeweils etwa 3% Wachstum), doch orientierte sich das Budget weiterhin
(und seit 1996 unter einem ANC-Finanzminister) an strengen, mit dem Internationalen
Währungsfonds abgestimmten fiskalpolitischen Kriterien. Gleichzeitig stieß
die Erschließung außerbudgetärer Finanzierungen (etwa durch zweckgebundene
Abgaben für das rapid expandierende Glücksspielwesen) auf Probleme. Während
steuerpolitische Umverteilungsmaßnahmen nur auf kommunaler Ebene bzw.
in Einzelsektoren gesetzt wurden (z.B. Besteuerung exzessiven Wasserverbrauchs
seit 1997) und die Belastung des Budgets durch Zins- und Tilgungszahlungen
(1997/98 erstmals mehr als ein Fünftel der Gesamtausgaben) zunahm, verschärfte
sich die innenpolitische Auseinandersetzung um die Verteilung der Budgetmittel.
Personell wurde das RDP-Team durch das Ausscheiden von ANC-Generalsekretär
Cyril Ramaphosa aus der Politik Ende 1994 und das tragische Ableben von
Minister Slovo im Jänner des Folgejahres hart getroffen. Zugleich formierten
sich einflußreiche Lobbies gegen eine Weiterführung der Wirtschaftspolitik
zugunsten der Ärmsten: das Militär, dessen Budget relativ eingefroren
gehalten worden war (erst im Gefolge der Kongokrise ab 1998 gesteigert);
das weiße Großkapital, das seine Forderung nach einer neoliberalen Wirtschaftspolitik
immer heftiger formulierte; und eine nach dem Wegfall der Apartheid-Restriktionen
rasch wachsende, an die staatlichen Finanztöpfe herandrängende schwarze
Mittelschicht, deren Selbstverständnis häufig in Form einer exklusiv verstandenen
African Renaissance-Ideologie artikuliert wird. Nicht zufällig wurde anhand
der Wohnbaupolitik mit ihrer Konzentration auf low-cost housing eine modellhafte
Debatte über die Akzeptanz des RDP seitens dieser neuen sozialen Schicht
geführt - und verloren; von der neuen Wohnbauministerin Sankie Mthembi
wurden die von ihrem Vorgänger eingeleiteten innovativen Programme größtenteils
gestrichen, ein vielkritisiertes "Fiasko im Wohnungsbau" war die Folge.
Im Juni 1996 wurde - ohne Konsultation der Sozialpartner - ein neues wirtschaftspolitisches
Programm der Regierung, die sog. Growth, Employment And Redistribution
Strategy (GEAR), verlautbart. Obwohl GEAR offiziell nur als makroökonomisches
Durchführungsinstrument des RDP gilt, ist der Gegensatz zu diesem nicht
zu übersehen. Die durchgeführte radikale Senkung des Budgetdefizits auf
etwa 4% BNP, die Fortsetzung der Hochzinspolitik, eine vorgesehene Stagnation
bei den Reallöhnen sowie geplante "Flexibilisierung" der Sozialstandards
verleihen der Strategie einen deutlich neoliberalen Charakter.
Zur Beurteilung von GEAR muß allerdings auch auf das (spätestens seit
dem "Mexiko-Schock" vom Jänner 1995) für emerging markets generell ungünstig
gewordene weltwirtschaftliche Klima hingewiesen werden. Bis 1994 weitgehend
ökonomisch und politisch isoliert, war die Wiedereingliederung Südafrikas
mit der allgemeinen Handelsliberalisierung zusammengefallen; nicht zuletzt
der anhaltende Abwärts-Trend der internationalen Rohstoffpreise (und nicht
zuletzt des für Südafrika lebenswichtigen Goldpreises) führte hier auch
später immer wieder zu Problemen. Entgegen großer Versprechungen beim
Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedsländern
der Southern African Development Community (SADC) im Juni 1994 war Südafrika
weiters nur eine eingeschränkte Mitgliedschaft im Lomé-Abkommen zugestanden
worden, und ein von Brüssel 1996 als Ersatz vorgeschlagenes Freihandelsabkommen
kam bislang nicht zustande; selbst eine Anfang 1999 bekanntgegebene, für
Südafrika ohnehin eher ungünstige Kompromißeinigung stieß auf den Widerstand
einiger südeuropäischen Länder. Auf der anderen Seite jedoch trafen die
hoch subventionierten Agrarexporte der EU den südafrikanischen Markt hart,
und der erwartete Zustrom ausländischer Investitionen blieb trotz der
fiskalpolitischen Disziplin wesentlich hinter den Erwartungen zurück.
So nimmt es nicht wunder, daß GEAR seine proklamierten Ziele - Schaffung
von 400.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2000 und eine Verdoppelung des
Wirtschaftswachstums auf sechs Prozent - weit verfehlt hat. Derzeit wird
von einem Netto-Verlust von 200.000 Arbeitsplätzen seit 1996 ausgegangen,
das Wirtschaftswachstum hat sich merklich abgeschwächt. Gerade der Sektor
der verarbeitenden Industrie - also ein Kernelement jedes Beschäftigungsprogramms
- ist in merklicher Schrumpfung begriffen. Es verwundert daher nicht,
daß sich die innenpolitische Diskussion über Vor- und Nachteile von GEAR
in den letzten Monaten intensiviert hat und die Gewerkschaften heftig
gegen den Regierungskurs Stellung bezogen haben; die Streikrate hat sich
1998 deutlich gesteigert.
Für die bevorstehenden Parlamentswahlen am 2. Juni 1999 wird mit einem
deutlichen Sieg des ANC, zugleich jedoch mit einer hohen Wahlenthaltung
gerade in den Elendsvierteln gerechnet. Welche Haltung der designierte
neue Staatspräsident Thabo Mbeki und die dann neugebildete Regierung hinsichtlich
der noch ungelösten Aufgabe der Bewältigung des ökonomischen Erbes der
Apartheid einnehmen werden, wird also die unmittelbare Zukunft zeigen.
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