Leseprobe INDABA 16/97

Moçambique kontra Weltbank: Wiedergutmachung für die Cashew-Industrie gefordert


In einem bisher beispiellosen Versuch, die Weltbank für ihre wirtschaftspolitischen Fehleinschätzungen zur Verantwortung zu ziehen, fordern nun die nußverarbeitenden Firmen Moçambiques 15 Mio Dollar an Entschädigung. Über die Hintergründe des Cashew-Konflikts zwischen Moçambique und der Weltbank berichtet Joseph Hanlon.

Auslösender Faktor für die aktuelle Zuspitzung des Konflikts zwischen der moçambikanischen Cashew-Industrie und der International Bank for Reconstruction and Development (vulgo Weltbank) war die Veröffentlichung einer Weltbank-Studie im September 1997, derzufolge die bisher von der Bank Moçambique aufgezwungene Politik "vollkommen verfehlt" gewesen sei und "aufgegeben werden" sollte.
Immerhin haben aufgrund dieser kritisierten Politik bereits über 7000 Menschen in Moçambique ihre Jobs verloren, ist die erst kürzlich privatisierte Cashew-Industrie praktisch bankrott. Laut Aussage von Kekobad Patel, dem Vorsitzenden der Vereinigung der moçambikanischen Cashew-Industrie, könnten die meisten Fabriken ohne finanzielle Unterstützung ihren Betrieb gar nicht mehr aufnehmen, selbst wenn sich nun die Wirtschaftspolitik ändern sollte.
Ein persönlicher Test für James Wolfensohn, den Präsidenten der Weltbank, und seine Bemühungen zur Reformierung der Bank. Die neue Studie war immerhin von ihm selbst in Auftrag gegeben worden - nach einem Moçambique-Besuch im Februar, der von Protesten der Regierung, der Industrie und der Gewerkschaften gegen die Cashew-Politik der Bank überschattet gewesen war.

Für Moçambique sind Cashew-Nüsse nicht einfach Knabbereien zum Bier - sie bilden das zweitgrößte Exportprodukt des Landes. Zehntausende Kleinbauern kultivieren Cashew-Bäume, aber die harten und säurehaltigen Nußschalen müssen erst zertrümmert oder zersägt werden, um die Kerne freizugeben, die wir essen. Moçambique entwickelte eine ziemlich ausgeklügelte Verarbeitungsindustrie mit etwa 9000 Beschäftigten - hauptsächlich Frauen -, um die Kerne aus den Schalen zu holen.
Auf Betreiben der Weltbank wurden diese staatseigenen Betriebe in den Jahren 1994/95 privatisiert. Höchstbieter für die Cashewfabriken (9 Mio US-$) waren jedoch lokale Firmen und nicht transnationale Konzerne, wie die Weltbank und viele außenstehende Beobachter angenommen hatten.
Kaum jedoch hatten die neuen Eigentümer mit der Produktion (bzw. mit der Reparatur der kriegsbedingten Schäden) begonnen, veröffentlichte die Weltbank eine interne Studie, derzufolge die Cashew-Industrie so ineffizient arbeitete, daß sie für Moçambique einen Verlust für jede verarbeitete Nuß brächte; die Bauern würden zudem höhere Preise erzielen, wenn ihre Cashew-Nüsse in roher Form exportiert würden. Diese Exporte sollten nach dem Vorschlag der Bank nach Indien gehen, wo die Kerne von Familien in Heimarbeit und unter armseligen Bedingungen aus den Schalen gelöst werden; die Nußschalen enthalten nämlich eine Säure, die die Finger der Arbeitenden verätzt. Genau das war der Grund gewesen, warum Moçambique immer auf mechanische Verarbeitung mit großen Hämmern oder Sägen gesetzt hatte und nicht auf händische Verarbeitung wie Indien.

Indiens Cashew-Verarbeitung wird staatlich subventioniert. Zum Ausgleich dafür verhängte Moçambique eine 20 %-ige Exportsteuer auf Cashew-Nüsse, die innerhalb von fünf Jahren - parallel zur Rehabilitierung und Modernisierung der Fabriken - auf 10 % gesenkt werden sollte. Dies war jedoch für die Weltbank nicht ausreichend; diese forderte eine Aufhebung der Steuer innerhalb von drei Jahren und die "Liberalisierung" des Exports unverarbeiteter Nüsse.
Ein Aufschrei seitens der Regierung, der Unternehmer und der Gewerkschaften in Moçambique, die eine Revision dieser Politik forderten, war die Folge. Ihre Argumente:

  1. Die interne Weltbankstudie war ohne Konsultation mit der Industrie entstanden und wies entscheidende Schwächen auf;
  2. eine Globalisierung würde ein Absinken der Standards für Arbeitsgesundheit und -sicherheit erzwingen;
  3. die Bauern würden ebenfalls nicht davon profitieren, und
  4. die Käufer der privatisierten Fabriken würden insofern hintergangen werden, als man ihnen (teils informell, teils explizit) zugesagt hatte, daß die Industrie bis zu ihrer technischen Instandsetzung geschützt bleiben würde.
Trotz dieser vehementen und detaillierten Argumentation war die Weltbank zu einer Diskussion freilich nicht bereit, sondern ließ es auf eine Kraftprobe ankommen.
Die "Country Assistance Strategy" der Weltbank von 1995 erhob den freien Export von unverarbeiteten Cashew-Nüssen zu einer "notwendigen Bedingung" ihres gesamten Programms in Moçambique. Auch das gemeinsame "Policy Framework Paper for Moçambique" von Weltwährungsfonds und Weltbank aus dem Jahr 1996 forderte die Abschaffung der Exportsteuer für Cashew.

Nach dem Weltentwicklungsbericht 1997 der Weltbank gilt Moçambique als das ärmste und hilfsabhängigste Land der Welt. Die Ursache dafür liegt in dem zwölfjährigen Krieg, den das frühere Apartheid-Regime in Südafrika gegen Moçambique führte und in dem eine Million Menschen ums Leben kam und der Wirtschaft ein geschätzter Schaden von 30 Mrd US-$ zugefügt wurde. Aufgrund dieser weitreichenden Zerstörung erhält Moçambique heute über 500 Mio US-$ an Hilfe pro Jahr.
Alle diese Hilfe ist jedoch an die Zusammenarbeit des Landes mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank gebunden - ohne Weltbankprogramm gibt es auch keine Hilfe. Wenn also eine Maßnahme, die praktisch den Ruin der Cashew-Industrie bedeutet, von der Weltbank also als "notwendige Bedingung" angesehen wird, so ist das ein Befehl, der nicht überhört werden kann. Wird er nicht befolgt, so wird auch das Weltbankprogramm eingestellt, und damit endet sämtliche ausländische Unterstützung, weil sie eben an die Existenz einer Zusammenarbeit mit der Weltbank gebunden ist. Und wenn die Hilfe aussetzt, steigt das Elend der Menschen noch weiter.
Dessenungeachtet mehrten sich die Proteste der moçambikanischen Öffentlichkeit, und vor allem die Gewerkschaften und die Presse argumentierten, daß die Politik der Bank auf falschen Voraussetzungen aufbaue.
Die Weltbank bestand jedoch auf ihrer Forderung. Eine Delegation unter Führung des für Afrika zuständigen Vizepräsidenten Callisto Madavo begab sich im Oktober 1996 nach Moçambique, wo Madavo in einer Pressekonferenz erklärte: "Wir haben eine Vereinbarung mit der Regierung über Cashew, und wir erwarten, daß diese Vereinbarung erfüllt wird. Unserer Meinung nach sollte die Exportsteuer auf Cashew aufgehoben werden."
Hinter geschlossenen Türen ging das Team der Bank sogar noch weiter. Ein moçambikanischer Beamter ließ inoffiziell verlauten "die Weltbank forderte von uns, wir sollten dies als unsere eigene Politik bezeichnen und damit aufhören zu sagen, sie sei uns von der Bank aufgezwungen worden. Wir wissen, daß Entwicklungshilfe von der Zustimmung der Weltbank abhängt, und wir müssen jetzt lügen, um diese Zustimmung zu erhalten. Natürlich werden wir das tun, aber in Wirklichkeit sind wir total gegen diese Politik, die unsere Cashew-Industrie vernichten wird."

Erst der neue IBRD-Präsident James Wolfensohn, der im Februar 1997 Moçambique besuchte, zeigte sich den Forderungen von Regierung und der Industrie gegenüber wesentlich aufgeschlossener. Er machte Madavos Linie rückgängig, gab eine neue Studie in Auftrag und erhob nicht mehr die Forderung nach einer weiteren Absenkung der Steuer. Im Mai 1997 war auch im "Policy Framework Paper for Moçambique" von IMF und Weltbank von Kürzungen der Exportsteuer nicht mehr die Rede.
Die von Wolfensohn in Auftrag gegebene Studie, erstellt von den internatinalen Konsulenten Deloitte & Touche und Anfang September veröffentlicht, forderte die Aufgabe der bisherigen Politik der Weltbank. Sie stimmt mit den Argumenten der moçambikanischen Cashew-Industrie überein und hält insbesondere folgendes fest:

  1. die indischen Subventionen für die Cashew-Heimindustrie verzerren den Wettbewerb in unfairer Weise;
  2. Bauern profitieren von liberalisierten Exporten überhaupt nicht, die zusätzlichen Gewinne werden nämlich von den Händlern einbehalten;
  3. verbessertes Management in den privatisierten moçambikanischen Betrieben hat bereits zu erhöhter Effizienz geführt;
  4. der Export verarbeiteter Cashew-Nüsse bringt für Moçambique im Vergleich zum Export unverarbeiteter Nüsse 130 US-$ pro Tonne mehr. Alleine darin liege genügend Grund, um die verarbeitende Industrie Moçambiques gegen die indische Konkurrenz zu schützen. Die Studie fordert sogar eine Erhöhung der Cashew-Exportsteuer.

Aber ist es nicht schon zu spät? Die Exportsteuer wurde heuer auf 14 % gesenkt, und mehr als die Hälfte der moçambikanischen Rohnüsse gingen nach Indien. Die Fabriken wurden nicht mehr mit Nüssen beliefert und begannen um die Jahresmitte Personal zu entlassen. Die meisten der 14 Betriebe sind derzeit geschlossen, 7000 der 9000 Arbeitskräfte (zumeist Frauen) sind arbeitslos.
"In den vergangenen zwei Jahren hatten wir über 15 Mio $ Verluste." sagt Kegobat Patel von der Cashew Industry Assosiation. "Die Regierung erwartet von uns die Bezahlung der nächsten Rate für die Privatisierung, und zugleich sollen wir Millionen von Dollars investieren, um die Fabriken zu modernisieren. Und aufgrund der Verluste der letzten zwei Jahre haben wir riesige Bankschulden, für die wir 30 % Zinsen zahlen. Wir können nicht alles zahlen."
Die Unternehmer wollen nun zweierlei: Erstens die Verpflichtung der Regierung zu einer langfristigen Cashew-Politik mit zumindest einem Minimum an Schutz für die Branche. Zweitens einen langfristigen, zinsgünstigen Kredit der Weltbank oder der Regierung für die Begleichung der Schulden und die Modernisierung der Betriebe.
Die Käufer der Fabriken haben bisher nur die erste Rate des Kaufpreises bezahlt und mit der technischen Erneuerung erst begonnen. "Wenn Weltbank oder Regierung für uns die Bedingungen einer Weiterführung der Betriebe nicht schaffen können, werden wir die Fabriken einfach zurückgeben - und dann werden sie nie wieder geöffnet werden," sagt Patel.

Moçambique habe eines der besten Privatisierungsprogramme in Afrika, hatte Phyllis Pomerantz, die verantwortliche Weltbankmanagerin für Moçambique, letztes Jahr in Maputo erklärt. Offenbar jedoch haben die Bank - und Pomerantz selbst - durch ihre eigene Politik einen der besten Bestandteile eines ihres besten Privatisierungsprogrammes zum Scheitern gebracht.
Die Entscheidung darüber, ob dies wirklich so ist, wird sich in Kürze zeigen. Wird sich die Weltbank hinter der Madavo-Argumentation verstecken, es sei alles moçambikanische Regierungspolitik gewesen und hätte mit der Weltbank nichts zu tun gehabt? Oder wird die Bank akzeptieren, daß diese Politik auf ihrer ersten Studie beruhte und von ihr durchgesetzt wurde? Wenn ja, ist die Bank dann bereit, Wiedergutmachung zu bezahlen? James Wolfensohn hat immerhin ein persönliches Interesse an diesem Fall genommen, und nur durch seine Intervention setzte sich in der Bank die Auffassung durch, daß man eine falsche Politik verfolgte. Aber ist Wolfensohn nun auch bereit und imstande, in den sauren Apfel zu beißen und für die früheren Irrtümer der Bank zu zahlen?

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