Leseprobe INDABA 15/97

Strukturanpassung überdenken

Kritisch äußert sich der Industrie- und Handelsminister Zimbabwes, Nathan Shamuyarira, gegen die Weltbank, er kündigt Veränderungen des Strukturanpassungsprogramms an und ist stolz auf den Handelsvertrag mit Südafrika. Das Gespräch mit dem langjährigen Unabhängigkeitskämpfer und Regierungsmitglied seit 1980 führten Walter Sauer und Elfriede Pekny.

Herr Minister, Sie haben erst gestern ein Memorandum of Understanding mit Ihrem südafrikanischen Amtskollegen unterzeichnet, demzufolge Zimbabwe eine Reihe von Handelserleichterungen vor allem bei Agrar- und Textilprodukten eingeräumt erhält. Worin liegt Ihrer Meinung nach die Bedeutung dieses Vertrags?

Das Memorandum signalisiert eine sehr wichtige Entwicklung in unseren Beziehungen mit Südafrika. Südafrika hatte seit 1964 ein Handelsabkommen mit dem rhodesischen Kolonialregime, das den Exporteuren sehr günstige Konditionen einräumte. Sie konnten eine ganze Reihe von Waren zollfrei nach Südafrika exportieren. Das war sehr hilfreich, weil der südafrikanische Markt sehr groß ist und viele Güter von hier aufnehmen konnte, selbst während der Periode der Sanktionen. 1992, kurz bevor De Klerk seine Macht aufgeben mußte, kündigte Südafrika das Abkommen von 1964 und erhöhte die Zolltarife für viele Güter. Bei Textilien und Kleidung z. B. erhöhte es den Zoll auf 90% des Wertes, und da waren Kleidungsstücke aus Zimbabwe auf dem südafrikanischen Markt natürlich nicht mehr konkurrenzfähig. Interessant ist, daß De Klerk die Zölle für Malawi nicht erhöhte - Dr. Banda hatte ja eine lange und fruchtbringende Zusammenarbeit mit Südafrika - und auch nicht für Moçambique, wegen des Nkomati-Agreements. Diese zwei Länder erfreuten sich also weiterhin der Präferenzzölle, ihre Waren konnten weiterhin zollfrei nach Südafrika gelangen, während wir sehr hohe Zölle bezahlen mußten. Wir haben nun versucht, die Tarife wieder auf das Niveau von 1964 zurückzuführen, aber die südafrikanische Regierung stieß auf den Widerstand ihrer eigenen Textilproduzenten, die eine Konkurrenzierung durch unsere Waren nicht wollten. Wir sind sehr dankbar, daß die südafrikanische Regierung nun jenen Veränderungen zugestimmt hat, die wir verlangt haben. Das Abkommen, das wir gestern unterschrieben haben, bedeutet faktisch eine Rückkehr auf den Stand von 1964 in drei grundlegenden Bereichen: Textilien und Bekleidung, Landwirtschaft und tierische Produkte und drittens sog. andere Produkte. Das ganze letzte Jahr über gab es drei gemeinsame Kommissionen, die jeweils eines dieser Gebiete bearbeiteten, und wir sind erfreut darüber, daß wir zu befriedigenden Lösungen gekommen sind. Wir sind sehr zufrieden mit dem Resultat.

Die Textilindustrie von Zimbabwe steckt voll in der Krise, und immer wieder wird der Import von Gebraucht-Kleidern kritisiert. Wie ist hier Ihre Haltung?

Unsere Textilindustrie steht vor großen Schwierigkeiten, das ist wahr. Nicht nur wegen der zunehmenden Billigimporte aus dem Ausland, sondern auch wegen der Dürre von 1994/95, die die Baumwollernte dezimierte; unsere Farmer konnten nicht genügend Baumwolle produzieren für die Spinnereien. Dann gab es das Problem der Vermarktung, solange der südafrikanische Markt für uns verschlossen war, und dadurch verloren wir einen ziemlich großen Absatzmarkt für die zimbabwe'schen Textilproduzenten. Nun ist dieser Markt wieder zugänglich, wir hatten zwei gute Regenzeiten, die Situation der Textil- und Bekleidungsindustrie sollte sich also stark verbessern. Die Textilien, die importiert werden, kommen hauptsächlich aus Südostasien, zu sehr billigen Preisen. Wir haben zwar ein Importverbot verhängt, aber sie gelangen illegal über die Grenze und werden auf den Flohmärkten verkauft. Wir haben keine polizeilichen Maßnahmen dagegen ergriffen, weil wir uns überlegt haben, daß es ja viele arme Leute gibt - unsere Arbeitslosenrate liegt etwa bei 30 % -, und die gehen natürlich am Wochenende zu diesen Flohmärkten und kaufen die Billigkleider dort. Natürlich kommen diese Waren illegal ins Land, aber wenn sie einmal hier sind, verbieten wir sie aus den genannten Gründen nicht. Erst vor wenigen Tagen forderte einer der hiesigen Textilindustriellen von der Regierung, sie sollte diese Waren beschlagnahmen und verbrennen. Wir halten das für zu drastisch.

Aber wie ist Ihre Antwort auf die Frage, ob humanitäre Organisationen in Europa Gebrauchtkleider sammeln und nach Afrika spenden sollen?

Ja, Sie sollten diese Kleider spenden, aber nur über von den Regierungen anerkannte NGO's, von denen es in Zimbabwe beispielsweise viele gibt, die sind berechtigt, gebrauchte Kleidungsstücke ins Land zu bringen und an bedürftige Menschen zu verteilen. Das ist in Ordnung. Es gibt ja viele Leute, die nicht genügend Geld haben, um sich Kleidung zu kaufen.

Im Entwurf zu einem industriepolitischen Konzept, das Sie kürzlich veröffentlicht haben, fällt eine eher distanzierte Haltung gegenüber ESAP, dem weltbankorientierten wirtschaftlichen Strukturanpassungsprogramm Zimbabwes auf. Sind Sie nicht glücklich damit?

Es gibt sehr viel Kritik an ESAP, selbst unter den Abgeordneten im Parlament, weil es infolge der Entlassungen in der Industrie zu erhöhter Arbeitslosigkeit geführt hat und auch zu hohen Preisen für Grundnahrungsmittel. Auch die Privatisierung hat zu Preissteigerungen geführt, vor allem die der großen vier parastaatlichen Institutionen in der Landwirtschaft, das waren der Grain Marketing Board für Getreide, die Cold Storage Commission für Fleisch, der Cotton Board für Baumwolle und der Dairy Board für Milch. Diese vier waren seit den Dreißiger Jahren halbstaatliche Unternehmen gewesen, um die Bauern zu unterstützen und sie zu subventionieren. Im Zusammenhang mit ESAP schränkten wir diese Subventionen ein, und die Preise stiegen natürlich. Ein Liter Milch z. B. kostete früher 92 Cents, heute ca. 7 Zimbabwe-Dollar. Dazu kam eine 22%-ige Inflation, und das Geld, das ein Arbeiter in der Tasche hat, ist heute viel weniger wert als vor zehn Jahren.
ESAP hatte diese Effekte, wir rechneten auch damit, aber der Internationale Währungsfonds und die Weltbank hatten versprochen, die Opfer des Structural Adjustment durch einen Social Dimension Fund zu kompensieren. Also arme Leute im allgemeinen oder zumindest die gekündigten Arbeiter sollten daraus materielle Hilfe erhalten. Gerade das ist aber nicht geschehen. Die Weltbank weigerte sich, den Social Dimension Fund zu finanzieren, sie wollten lieber Klein- und Mittelbetriebe aufbauen. Wir forderten hingegen von ihnen, die soziale Situation insgesamt zu verbessern, denn welchen Sinn haben produzierende Unternehmen, wenn die Kaufkraft zu gering ist, um ihre Produkte zu konsumieren? Das konnten sie freilich nicht akzeptieren, der Social Dimension Fund wurde nicht dotiert, und deshalb gibt es all diese Kritik am ESAP, und deswegen ist das Dokument sehr zurückhaltend bezüglich ESAP, wie Sie richtig bemerkt haben.
Wir haben jetzt ein Programm der wirtschaftlichen und sozialen Transformation Zimbabwes (ZIMPREST) erarbeitet, das zwar die grundlegenden Strukturen von ESAP beibehält, sie aber dort, wo es notwendig ist, modifiziert. Wir müssen das private Unternehmertum ermutigen, wir müssen private Konkurrenz ermutigen, das ist gut für die Gesellschaft, aber wir tun das mit oder ohne die Weltbank. Seit drei Jahren haben wir von der Weltbank keine finanzielle Unterstützung erhalten, und trotzdem haben wir das Programm fortgesetzt, aber wir haben es in einer Weise umgestaltet, daß es unseren Leuten hilft. Wir verwirklichen jene Elemente, die unserem Volk nützen, wie etwa beim Wettbewerb, bei der Vergabe ökonomischer Anreize und bei der Kommerzialisierung bestimmter Industrien. Es gibt eine gewisse Privatisierung, während wir auf anderen Gebieten die verstaatlichte Industrie beibehalten. Wir brauchen interventionsfähige Institutionen, auch in der Industrie.

Geben Sie uns dafür ein Beispiel?

Wir werden morgen eine neue Fabrik eröffnen, CONTEXTILE in Chitungwidza, die vor drei Jahren von einem Privatunternehmer geschlossen worden war, weil sie angeblich nicht mehr rentabel war. Die Regierung hat ein Programm dazu fertiggestellt, das von einem Pensionsfonds unterstützt wird und von der Industrial Development Corporation. Es ist die größte und die mondernste Textilfabrik von Zimbabwe. Ihre endgültige Schließung hätte einen Schritt zur De-Industrialisierung bedeutet, und das wollten wir verhindern. Die Regierung hat über die IDC 30% der Kosten übernommen, der Pensionsfonds 70%. Nach ein bis zwei Jahren haben wir die Absicht, unsere Anteile an den Privatsektor zu verkaufen. Wir agieren als Katalysator, und wenn wir das nicht getan hätten, würde die Fabrik nicht wieder eröffnen, weil kein Privatunternehmer das Risiko eingehen wollte. Die Regierung muß also manchesmal intervenieren, genauso wie die österreichische Regierung in bestimmten Situationen interveniert hat, um bestimmte Betriebe am Leben zu erhalten.

Von den internationalen Finanzinstitutionen Privatisierung und Globalisierung geradezu als Allheilmittel vertreten. Halten Sie trotzdem an der Notwendigkeit von Regierungsintervention in wirtschaftlichen Schlüsselbereichen fest?

Ja, unbedingt. Darum habe ich Ihnen ja auch das Beispiel von CONTEXTILE erzählt.

Ein anderes Flaggschiff der zimbabwe'schen Wirtschaft ist das Stahlwerk ZISCO, das viele Jahre lang mit Österreich in engen Beziehungen stand. Wie steht es damit aus Ihrer Sicht heute?

Nun, die österreichische VÖEST-Alpine war einer von drei Bewerbern um die technische Rehabilitation von ZISCO zwischen Juni 1997 und Dezember 1998. Unseren Vorstellungen nach ist das ein Auftragsvolumen von etwa 2,2 Mrd. Zim-Dollar, also über zwei Milliarden österreichische Schilling. Neben der VÖEST bewarben sich die tschechischen Skoda-Werke und Ferrostahl aus Deutschland. Das waren die drei Firmen in der Endauswahl. Es gab eine private Beratungsfirma, die die Angebote evaluierte, und ihrer Analyse zufolge hatte keiner der drei Bewerber alle von uns gesetzten Kriterien erfüllt. Eines dieser Kriterien war eine finanzielle Eigenbeteiligung am Rehabilitationsprozeß von ZISCO, was der jeweiligen Firma eine starke Position bei der Privatisierung von ZISCO im Jänner 1999 verliehen hätte. Wir hatten also Diskussionen mit allen drei Firmen, ob sie ihre Angebote verbessern könnten. Die Deutschen erhöhten ihr Angebot beträchtlich, und deshalb wurde ihnen letztlich der Zuschlag erteilt. Es tut uns leid, daß die VOEST mit ihrer langjährigen historischen Beziehung zu ZISCO den Kontrakt nicht erhalten konnte. Wir hoffen, daß sie sich dann zumindest in Teilbereichen wieder einschalten werden, wenn es um die Privatisierung des Werkes geht.

Wie sehen Sie die Beziehungen Zimbabwes zu Österreich im allgemeinen?

Unsere Beziehungen zur österreichischen Regierung sind sehr gut. Ich hoffe, daß Bundespräsident Klestil nach seiner völligen Genesung unserer Einladung Folge leisten wird, die International Trade Show in Bulawayo zu eröffnen. Abgesehen davon wünschen wir uns mehr Touristen aus Österreich, unsere Botschafterin in Wien ist diesbezüglich sehr aktiv, und ich weiß, daß es zwei Bundesratsabgeordnete gibt, die oft zur Jagd nach Zimbabwe kommen und die sich für die Belebung der Fremdenverkehrs einsetzen. Ich wünsche mir auch mehr österreichische Investitionen im Bereich der verarbeitenden Industrie. Bei Ihnen gibt es eine vollentwickelte Elektronikindustrie, und hier in Zimbabwe könnten wir sehr wohl Produktionsanlagen für Radio- und Fernsehgeräte oder Computer brauchen. Gerade am Beispiel Südostasiens sieht man, wie wichtig die Elektronikindustrie für die Entwicklung eines Landes ist.

Wir danken für das Gespräch.

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