Leseprobe INDABA 7/95

Entwicklungspolitik allein ist nicht genug

Anläßlich seines Aufenthaltes in Wien und Alpbach sprachen Walter Sauer und Elfriede Pekny mit dem Stellvertretenden Staatspräsidenten Südafrikas, Thabo Mbeki

Unser letztes Interview hatten wir 1988 in London. Seither bist Du zu einem der wichtigsten südafrikanischen Politiker nach Mandela geworden. Müssen wir jetzt Exzellenz zu Dir sagen?

Ich sage den Leuten immer, sie sollen diese Förmlichkeiten bleiben lassen. Aber sie halten sich nie daran. Also: Für Euch bin ich Thabo.

Danke! Dein Besuch hier hat eine besondere Bedeutung. 1988 hattest Du aus Protest gegen das Auftreten Buthelezis beim Forum Alpbach eine Einladung des Außenministeriums nach Wien abgelehnt, und in den Jahren seither ist der ANC angesichts des engen Verhältnisses beider Koalitionsparteien zu De Klerk auf Distanz gegenüber Österreich gegangen. Werden sich die beidseitigen Beziehungen nun in einem neuen Geist entwickeln?

Ich bin sicher, daß unsere Beziehungen in Zukunft anders sein werden. Der Kampf gegen die Apartheid, in dem Ihr und ich involviert waren, beinhaltete das Element der Sanktionen; wir wollten das Regime international isolieren. Natürlich gab es Leute, die sich daran nicht beteiligen wollten.Das bedeutete aber nicht norwendigerweise, daß sie, obwohl sie eine spezifische Form unseres Kampfes ablehnten, zugleich auch ein demokratisches Südafrika ablehnten. Sobald wir einen bestimmten Zeitpunkt passiert hatten, als der Kampf der Anti-Apartheid-Bewegungen um Sanktionen seinen Zweck erfüllt hatte, waren diese Leute vielleicht sehr begierig, sich den Fragen der Zukunft zu stellen: Laßt uns die Differenzen der Vergangenheit vergessen, arbeiten wir zusammen beim Aufbau einer neuen Gesellschaft. Diese Situation fanden wir hier in Österreich, sowohl bei der Regierung, als auch unter den Geschäftsleuten. Ich stieß auf ein starkes Interesse, sich am Entwicklungsprozeß in Südafrika zu beteiligen.

Hat es dabei konkrete Ergebnisse gegeben?

Wir diskutierten eine Reihe von Fragen. Sie wiesen etwa darauf hin, daß wir ausgebildete Arbeitskräfte brauchen würden, um die Wirtschaft zu transformieren, und das ist natürlich völlig richtig. Wir haben dafür spezifische Projekte, und im Detail wird darüber zwischen beiden Ländern noch zu sprechen sein. Die österreichische Regierung deutete an, daß sie uns Unterstützung vor allem über die Europäische Union geben würde.

Entspricht das auch den Vorstellungen Südafrikas?

Ja, das ist natürlich ok. Auf der anderen Seite frage ich mich aber, ob wir uns nicht auch bilateral zusammentun sollten, um bestimmte Probleme zu bewältigen. Abgesehen von der multulateralen Ebene der EU würden wir auch bilaterale Arrangements zwischen Österreich und Südafrika begrüßen, gerade bei der Entwickung der Humanressourcen.

Thabo, Du sprichst von der Transformation der Wirtschaft. Gerade jetzt läuft in Südafrika eine kontroverse strategische Debatte über den bisherigen Erfolg bzw. die Konzeption des Reconstruction and Development Programme. Besteht nicht die Gefahr, daß man sich in einer Anzahl von kleineren oder größeren Projekten verstrickt und den großen Horizont aus den Augen verliert?

Manchmal wird natürlich der Fehler gemacht, daß man das RDP mit Einzelprojekten gleichsetzt. Sie glauben, wenn sie zehn Häuser bauen, dann haben sie ein RDP-Projekt durchgeführt. Solange diese zehn Häuser aber nicht gleichzeitig so angelegt werden, daß sie die vorgegebene Siedlungsstruktur der Apartheid-Epoche überwinden, haben sie den Transformationsprozeß der Gesellschaft, den wir uns vorstellen, noch gar nicht begonnen. Für uns bedeutet Transformation die Schaffung einer nicht-rassistischen Gesellschaft. Wir wollen die südafrikanische Gesellschaft frei machen vom Rassismus in jeder Beziehung - beim öffentlichen Dienst, im Sicherheitsapparat, bei der Siedlungsstruktur, hinsichtlich der Eigentums- und Kontrollverhältnisse in der Wirtschaft, bei der Verteilung des Reichtums usw.
Ich gebe Euch einige Beispiele: Wie transformiert man die Stadt Johannesburg? Man kann Häuser für einkommensschwache Bevölkerungsschichten bauen, Soweto einen neuen Bezirk hinzufügen. Nach 30 Jahren wird Johannesburg immer noch so aussehen wie heute. Da wird es weiße Zonen geben und schwarze und was weiß ich noch. Wie geht man also daran, den rassisch geprägten Charakter einer städtischen Struktur zu verändern? Und das ist nur ein einziger Problemkreis. Ja, wir brauchen mehr Arbeitsplätze, mehr Wohnungen, mehr Spitäler usw., das alles verbessert den Lebensstandard der Menschen. Aber zugleich brauchen wir nicht nur quantitative, sondern auch strukturelle Veränderungen. Es geht uns nicht nur um einen Entwicklungsprozeß, es geht uns um einen Prozeß der Transformation. Wenn wir nur über Entwicklung sprechen würden, dann wäre es ja relativ leicht. Aber sobald man sagt, wir wollen die Gesellschaft verändern, damit etwas Neues daraus wird, dann werden die Herausforderungen viel größer. Wie ich gesagt habe: Transformation ist für uns die Schaffung einer nicht-rassistischen Gesellschaft. Man muß die Natur dieses Prozesses verstehen und ein Gefühl für die Zeit haben, die das brauchen wird. Aber meine Ansicht ist, daß wir bezüglich dieser strategischen Fragen ziemlich viel Fortschritt gemacht haben.

Aber nehmen wir als Beispiel die Wohnbaupolitik. Da hat man doch den Eindruck, daß das ursprüngliche, stark auf Partizipation und auf Berücksichtigung der ärmsten Schichten ausgerichtete Konzept nun doch wieder durch eine rein quantitative und auf Mittelschichten ausgerichtete Politik ersetzt wird. Wo bleibt da die Transformation?

Das Problem ist folgendes: Die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung unseres Landes kann sich den Kauf von Häusern nicht leisten. Die ursprüngliche Idee war nun, durch öffentliche Maßnahmen für die Grundaufschließung, die Straßen, Infrastruktur, Wasser usw. zu sorgen und sogenannte Starthäuser mit einem Raum zu errichten, die die Menschen dann um andere Räume erweitern könnten. Das ist die Theorie. Das Problem dabei aber ist, daß diese einkommensschwachen Leute nie in der Lage sein werden, ausreichend Geld zu sparen, um ihre Häuser fertigzubauen. Sie können nicht genügend Ersparnisse anlegen, um die anderen Räume zu bauen. Wie soll Mandela das verteidigen? Was machen wir, wenn die Leute aufstehen und sagen, Mandela sagt, er hat uns Häuser gegeben, schaut euch das doch an, wir schlafen wie Sandwiches in einem Raum. Was ist das für eine Art von Wohnungspolitik?

Aber die Lösung, allen Häuser wie in den weißen Wohngebieten zu versprechen, ist doch einigermaßen unrealistisch.

Warum sagen wir also nicht etwas ganz anderes? O.k., das ist eine arme Familie, aber warum müssen sie eigentlich Wohnungseigentum anstreben? Bauen wir doch Miethäuser, die jeder sich leisten kann. Die grundlegende Annahme war immer, daß wir Eigentumshäuser bauen müssen. Einer meiner Mitarbeiter hat uns gerade gestern erst von seinen Verwandten in Alexandra erzählt. Warum baut die Regierung nicht Apartments, sagen sie, mit einer Küche, einem Wohnzimmer und zwei Schlafzimmern, in einem vier- oder fünfstöckigem Miethaus? Das können wir uns leisten. Ich glaube nämlich, daß jene, die sich den Fertigbau der Starthäuser hätten leisten können, eher aus den Mittelschichten gekommen wären, die Gewerbetreibenden in den Townships zum Beispiel. Das sind Leute, die bereits über ein höheres Einkommen verfügen, die monatlich einen bestimmten Betrag sparen können. Die Mehrheit der Menschen jedoch kann sich Wohnungseigentum nicht leisten, wohl aber das Wohnen zur Miete. Und wenn ihre wirtschaftliche Situation es erlaubt, dann können sie diese Wohnungen ja kaufen.

Danke für das Gespräch!

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